CONCURSO NACIONAL DE CANTE POR LIVIANAS (Alemán)

 

    Als ich entschlossen hatte, diese kleine Arbeit zu schreiben, war ich zunächst etwas unsicher. Ich wollte schreiben über einen Wettbewerb, ein Festival und einen Flamencopalo namens Liviana.Unsicher war ich, weil ich weder Forscher noch Flamencologe bin. Ich bin nur ein Aficionado und glaube nicht, Euch etwas beibringen zu können, aber vielleicht kann meine Schrift Eure Beachtung für den Flamenco etwas anreichen.

    Ich werde mich darauf beschränken, mitzuteilen, was ich gelesen habe, aber auch Teile meiner Theorie über den Cante de Liviana und etwas über seine Ursprünge. ¡Ay!- wie ungewiss sind diese Ursprünge, sie sind ein Mysterium und einem Mysterium begegnet man stets mit Respekt, und das will auch ich tun. Als die Semana Santa vorbei war, unsere Devotionen und Umzüge verklungen, begann eine Vielzahl von Fiestas: Festivales, Ferias, Concursos, Semanas Culturales- Fiestas, die alle etwas mit dem Flamenco zu tun hatten. Und von all diesen interessierte mich eine besonders: Es handelt sich um den „Concurso Nacional del Cante por Livianas“, der von der Peña Flamenca von Puerto Real organisiert wird. Die Peña trägt den Namen eines Sängers dieser Región: „Canalejas de Puerto Real“. Die Peña hat eine Reife wie die guten Weine dieses Landes, und mit dieser Reife wird auch der Livianaswettbewerb veranstaltet, der im Jahr 2001 bereits zum 25. Mal stattfinden wird.

    Am 1.Juli wurde zu einer Präsentation des Wettbewerbes eingeladen mit einem literarischen Vortrag des Peñamitgliedes Luis Castillo Perea, der ausgeschmückt und wortgewandt die Geschichte der Livianas thematisierte. Weiter ging es mit einem Recital de Cante von Diego Amaya „El Cabrillero“ aus Utrera, mit der Gitarre von Javier Valdillo aus Puerto Real. Bei diesem Konzert wurden verschiedene Palos geboten: Soleares, Malagueñas, Tarantos und Fandangos und immer wieder Bulerías, die besonders gut beim Publikum ankamen. Es war ein sehr schönes Konzert, Gesang und Gitarre ein Luxus, Javi ein echter Künstler, der Dir einen Schauer durch den Körper jagt, der selbst Nichtflamencos werden lässt und zum Tanzen bringt.

    Nun möchte ich auf die Liviana eingehen, dafür muss ich tief in ihre Geschichte eindringen, die voll von Fragen ohne Antworten ist. Um diesen Palo zu kennen, der auch für viele Spanier gänzlich unbekannt ist, muss man schon ein geborener Aficionado sein, und ich bin mir sicher, dass es viele deutsche Aficionados gibt, die diesen Namen zum ersten Mal hören.

    Zu Beginn möchte ich ein Zitat von A. Machado (Demófilo) aus seinem Buch „Colección de Cante Flamenco“ stellen:

 

    „...es gibt noch einen Cante mit grösseren Verdiensten als die Seguidilla Gitana. Das sind die Liviana und die Toná, an welche sich jedoch kaum noch Sänger heranwagen.“ (Dies schrieb Demófilo 1871 in Sevilla)

 

    Nach Aussage verschiedener Bücher erschien die Liviana in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Man glaubt, dass die Liviana am Anfang eine Toná gewesen sei, doch über diese Definition und Legende schrieb Angel Alvarez Caballero in seinem Buch „Historia del Cante Flamenco“:

 

    „Man darf diese Liviana (von heute) nicht verwechseln mit der primitiven Toná-

Liviana, von der uns Demófilo erzählt.“

 

    Es scheint, als hätten die beiden nicht miteinander zu tun, doch dann stellt sich eine Frage:

 

    Warum benutzt man durchweg den Namen Liviana für diesen Palo?

 

Wie immer Fragen über Fragen im Bezug auf die Geschichte des Flamenco.

    Das Flamencolexicon (Diccionario Enciclopédico Ilustrado del Flamenco) definiert die Liviana als einen „leichten“ (=liviano) Gesang, vielleicht in Abgrenzung zu der Bedeutung und dramatischen Ausdruckskraft anderer Stile. Andere Autoren sagen, die Liviana sei mit der Seguiriya verschwägert oder stamme sogar von ihr ab, wieder andere meinen, sie diente als Vorbereitung, eine Serrana zu singen.

    Ich habe den Eindruck, dass die Liviana ein autonomer Cante gewesen ist, absolut unabhängig von den anderen Cantes, mit denen sie verwandt sein soll. Wie schon Demófilo gesagt hat, es gäbe Cantes mit grösseren Verdiensten als die Seguidilla, nämlich die Liviana, betone ich noch einmal deren Autonomie ohne jedwede Verschwägerungen. Was das Vorspiel eines Sängers zur Serrana angeht, denke ich, dass dieses später dazu gekommen sein muss. Diese Schlussfolgerung muss man nach der Lektüre der Bücher zum Thema Liviana ziehen.

    Sänger und Sängerinnen, die die Liviana oder die Toná-Liviana (wir fassen alle Livianas, die es gibt, in einer Gruppe zusammen) gesungen haben, gibt es viele, begonnen mit Tio Luis de la Juliana, einer der ersten Namen in der Flamencogeschichte (Nach Juan de la Plata ist dies nicht Tio Luis de la Juliana, sondern de la Jeliana, eine Verfälschung von Giliana?).

    Auch wenn ich keine komplette Liste machen kann, weil es zu viele sind, mÑochte ich noch einige weitere Namen nennen, die der Liviana Form und Leben gegeben haben und die als Übermittler dieses Cantes fungierten von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in unsere Tage: El Fillo, Juanelo, Tobalo, María Borrico, El Tio Rivas, Moya, Tio Manuel, La Serneta und viele mehr. Ich glaube, all diese Maestro der Seguiriya aus zwei Jahrhunderten mussten auch sehr gut por Livianas singen können.

    Es gab eine Zeit des Vergessens, wahrscheinlich, weil dieser Cante nicht der Bevorzugteste der Aficionados war, bis ihn 1956 Pepe de la Matrona wiederbelebte und Antonio Mairena ihn anreicherte und die Stadt Puerto Real den Cante por Livianas wiedergewann. Im Flamencopanorama von Cádiz und seinen Häfen entstand eine grosse Zahl von Sängern, die ich etwas detallierter vorstellen möchte:

 

    El Fillo, geboren 1780 in Puerto Real, gestorben 1862 in Sevilla. Er sang Tonás, Seguiriyas, Livianas und anderes. Ohne Zweifel ist das am besten überlieferte Werk von El Fillo seine Caña.

    El Tio Rivas (18. und 19. Jahrhundert) lebte, obwohl aus Cádiz stammend, in Triana.   Seine grossen Spezialitäten waren Toná und Romance. Er hinterliess uns eine Toná-Liviana unter Namen „Toná chica“.

    Moya und Tio Manuel, beide aus Puerto Real, (19. Jahrhundert) beide Schöpfer von Tonás und Interpreten von Livianas.

    El Cojo Pavón (1895-1987), der Sohn der Tänzerin La Curra verfügte über ein grosses Repertoire.

    Canalejas de Puerto Real (1905-1966), der als Kenner aller Palos galt. Oder Eliseo del Puerto. Von all diesen heisst es, dass sie auch grossartige Interpreten der Liviana gewesen seien.

 

    Man sagt, dass die Liviana ein Kind der Cantes Básicos ist, zumindest habe ich dies in alle Werken gelesen, die ich gesehen habe, wahrscheinlich ist es also wahr. Ich möchte Ihnen das Gedicht „Arte y Duende“ von Rafael Ocaña vorstellen, das zu diesem Thema aussagt:

 

...y nacieron esos hijos

de los tres grandes primeros,

con variantes de deblas

martinetes postineros

desgarrantes carceleras

hechas dolor y lamentos.

Polo, cañas, las corridas,

LIVIANAS, serranas, tientos,

saetas, cantiñas, tangos,

bulerías, luego, los indirecto,

y como primos hermanos

de aquellos tres basamentos...

   

    Sie finden in diesem Gedicht einen weiteren Beweis dafür, dass die Livianas ursprünglich ein Cante mit eigener Natur und eigenen Namen gewesen ist, auch wenn er ein Kind von anderen Cantes sein mag, in diesem Fall von den genannten Cantes Básicos. Im selben Gedicht gibt es auch eine Liste von Sängern, Maestros del Cante, die wahrscheinlich alle Livianas oder Toná-Livianas gesungen haben.

    Zum Schluss möchte ich noch einiges über den Concurso de Livianas berichten. In einem Interview mit dem Präsindenten der Peña Flamenca von Puerto Real, Juan Antonio Delgado Gómez, erfuhren wir noch einiges über den Wettbewerb und das „Gran Festival de la Liviana“. In den Anfängen des Wettbewerbes suchte man die Teilnehmer nach Kassetten aus, die sie eingeschickt hatten. So wurden als Finalisten diejenigen mit den besten Aufnahmen ausgesucht, bei denen der Gesang fast perfekt klang. Doch es gab Fälle, in denen der Live-Eindruck völlig ungenügend. Nun müssen die Kandidaten persönlich vorsingen. Wegen der hohen Zahl der Teilnehmer sind dafür verschiedene Sitzungen nötig.

    Eine kleine Auflistung der bisherigen Gewinner des Wettbewerbes: Manuel López ‚Manolin’ und Antonio el Colorado ist man besonders stolz, denn beide sind aus Puerto Real. Andere sind Paco Moya aus Carmona, der diesen Wettbewerb dreimal gewinnen konnte, Manolin Cordero, Antonio Ortega, Manolo Dominguez oder El Luli de Paterna. Nicht hoch genug loben kann man zwei junge Talente, die in der Kategorie der U21 gewonnen haben: Ezequiel Benitez aus Jerez und Laura Vital aus Sanlucar de Barrameda.

    Als Fortsetzung des Wettbewerbs findet einige Wochen später im September das „Gran Festival de la Liviana“ im Teatro Principal de Puerto Real statt. Es nehmen die Bestplatzierten des Wettbewerbes teil sowie eine Auswahl von grossen Flamencokünstler. In der Vergangenheit waren dies grosse Namen, man schaue nur das Plakat von einer der ersten Veranstaltungen an: Fernando Terremoto, Fosforito, Lebrijano, Camarón, Calixto Sánchez und der Tanz von Manuela Carrasco, eine sensationelle Veranstaltung. Persönlichkeiten der Flamencokunst waren bei allen Auflagen dieses schönen Festivals auf der Bühne, im Cante, im Toque und im Baile. Wenn ich all die bekannten Künstler aufzählen wollte, dann wäre diese ganze !anda¡- Ausgabe für mich.

 

    Nun möchte ich Ihnen zum Abschluss nur noch eines sagen: Wenn Sie einmal Urlaub machen im südlichen Teil Andalusiens, dann machen Sie einen Besuch bei dieser Peña Flamenca „Canalejas de Puerto Real“. Dort werden Sie wie ein echter Flamenco behandelt. Wenn dieser Besuch im Juli ist, umso besser, denn jeden Freitag gibt es dann dort Flamenco und Manzanilla und gute Tapas dazu. 

 

 

 

                                                                       Francisco Prats Bernardi (Paco de Cái)

 

Publicado en la revista !anda¡ en el número 33. Diciembre/ Enero 2001 y traducido al alemán por Oliver Falke. Jefe de Redacción de dicha revista.