TANZENDES CÁDIZ

 

   Ich bin eine Tochter des Westens, so alt wie jede andere – Cádiz”

Worte aus einer Sage, eingraviert am Feuerhaus oben auf dem Herkulesturm.

 

   In Cádiz lernt man den baile weder in der Tanzschule noch von Lehren.Wer hier zur Welt kommt, hat Rhythnus, Anmut und Kunst in Blut. Der Tanz in Cádiz ist Poesie der Bewegung.

   Cádiz (heute), Gadir (phönizisch), Gades (römisch), Djezirah-Kádiz (arabisch): Diese Namen sind alle geschichtlich bedeutsam. Was uns hier jedoch vornehmlich interessiert, ist der Tanz und der hatte seine Glanzzeit in der römischen Epoche.

 

¿Wer hat nicht von den Tänzerinnen aus Gades gehört? Von jenen PUELLAE GADITANAE, die in so hohem Ansehen standen, dass Rom, wenngleich es alle Fremden ohne Rücksicht auf Stand und Klasse aus der Stadt jagte, und mehr als zweitausend Tänzerinnen aus Gades Aufenthalt gewährte.

   Zur Zeit des Konsuls Metellus wurden Tanzgruppen nach Rom gebracht, die mit ihren Tänzen, die schon bald als Tänze aus Gades bekannt wurden, einen hervorragenden Ruf und grosse Beliebtheit genossen. Die alten Tänze, wie man auf der Abbildung einer in Jerez gefundenen Tonscherbe erkennen kann, wurden bereits mit Kastagnettenklang und palmas begleitet, waren zweifelsohne Vorgänger von Tänzen, die in den folgenden Epochen an unterschiedlichen Orten in Andalusien entstanden sind, so der olé de la Curra oder gaditano, der fandango, die zarabanda, die jerigonza, der guirigay, die canarios, die campana, der jaleo gaditano, und andere, wieder in Vergessenheit geratene Tänze, sowie unsere heutigen Stile wie alegrías, caracoles, soleares, soleariyas, bulerías und tanguillos de Cádiz. Der letztgenannte ist eher dem Karneval zuzuordnen, gehört aber mit seiner tanzbaren Form der Familie des Flamenco an. In der breitgefächerten Vielfalt des cante hat heute auch der cante por tanguillo seinen Platz (Chano Lobato beispiels-weise singt ihn ausgezeichnet).

   In einem Brief des jüngeren Plinius an Septicius Cloro heisst es: “Ohne die Tänzerinnen aus Gades wurde es einem Fest an etwas fehlen”. Nicht anders heute: Ein Fest ohne eine Tänzerin aus Cádiz wäre kein Fest. Nicht nur Plinius spricht, oder besser gesagt, schreibt, über sie, auch Petronius äussert sich in seinem Satyricon, Silius Italicus, Appian und andere rühme die choreographischen Fähigkeiten der puellae gaditanae.

 

Einst lebte Telethusa hier

Marcial singt uns von ihr:

Vers mit Salzgeschmack,

Muse, braun un nackt.

 

   Der Telethusa, einer der bekanntesten Tänzerinnen aus der ältesten Stadt im westlichen Mittelmeerraum, wurde im Rom der Caesaren die Bewunderung des gesamten Kaiserreiches entgegen gebracht. Rafael Alberti, der Dichter aus Puerto de Santa María (Cádiz), beschreibt ihren Tanz:

 

Gewandt beugst du die schmale Taille,

Klingt der Kastagnetten voller Ton

gewandter Flug, verlierst dich in den Träumen nicht

dein tanzbarer Schritt auf dem Boden-ohne Gewich

 

Aber ich will keine Geschichten schreiben, obwohl dies durchaus Geschichte ist, nämlich die des baile in Cádiz. Ich möchte nur zeigen, dass die Stadt tanzt, Cádiz eine uralte Metropole, das Reich des baile durch alle Epochen. Cádiz, Gadir, Gades, Kádiz oder welche Namen man der Stadt auch geben mag, hier hört man seit Ewigkeiten Wellenrauschen, Ruderschläge und die Schuhabsätze der Tänzerinnen.

     Zur Zeit der französischen Vorherrschaft wurde von den gaditanas, wie die Frauen aus Cádiz in der Landessprache heissen, ein weiteres Kapitel in das Geschichtsbuch des baile geschrieben. Sie tanzten por alegrías und sangen:

 

Bomben schicken uns die Kanaillen ins Haus

Wir gaditanas machen Korkenzieher draus.

 

   Dreitausend Jahre bailes und palmas. Ich glaube, es gibt auf der iberischen Halbinsel keine Stadt, deren Geschichte des baile sich mit dieser Augustana Urbs Julia Gaditana messen kann. Seit dreitausend Jahren tanzt man in Cádiz, die gaditanos leben ihre Leben im Tanz und Gesang. Fremde Kulturen kamen in die Stadt, Tyrer, Phönizier, Griechen, Römer un Araber, aber die gaditanos tanzten und tanzten. Dieses glückliche Fischerdorf weiss seit mehr als dreitausend Jahr dass die beste Philosophie die alegría ist.

   Un Cádiz singt man por alegrías, tanzt por alegrías und schreibt por alegrías, denn ganz Cádiz ist alegría, ist Fröhlichkeit.

 

 

 

 

                                                                 Francisco Prat (Paco de Cái)