UNBEKANNTE URSPRÜNGE DES FLAMENCO

 

Wann war die Geburtsstunde des Flamenco? Wo sind seine Vorgänger und wie weit reichen seine Wurzeln zurück? Welche Volksgruppen hatten Einfluss auf die Entstehungsgeschichte? Eine ganze Reihe von Fragen tut sich auf, wenn man auf die Zeiten vor der Jahrhundertwende blickt. Im 18. Jahrhundert verliert sich vollends greifbares Material, und vieles bleibt Spekulation. Paco de Cái versucht, zwischen allen Meinungen und Märchen einen roten Faden zu finden und hinterfragt die Autorität schriftlicher Quellen.

 

    Als Liebhaber der drei Facetten des Flamenco Cante, Baile und Toque möchte ich alles über seinen Ursprung, seine Geburt und seine Wiege wissen. Ich würde sogar gern auf der Grundlage von allem, was über die Flamencokunst gesagt und geschrieben wurde, eine Geburtsurkunde austellen.Nach so langem Studium, so langer Lektüre und so vielen Diskussionen über Flamenco, ist jedoch eines herausgekommen: Der Flamenco ist das Kind eines unbekannten Vaters. Und doch gibt es eine unumstössliche Wahrheit in Bezug auf den Ursprung: Seine natürliche Mutter ist Andalusien.

    In Bezug auf die Vaterschaft des Flamenco äussert sich Ricardo Molina in seinem Buch “Misterios del Arte Flamenco” (S. 28):

 

    “Geologisch und genetisch gesprochen, ist der Cante (Flamenco) ein streng andalusisches Phänomen. Sein Vaterland ist Andalucía Baja, Andalucía Atlántica...”

 

    Und doch muss der Flamenco einen Vater haben. Bis heute ist allerdings nicht mit Sicherheit bekannt, wer er ist. Das einzige, was mit Sicherheit feststeht, ist , dass er eine grosse Familie hat, weswegen die Flamencologen Polemiken führen, Theorien aufstellen und Abhandlungen schreiben, mit denen sie ganze Büchern und Zeitschriften füllen.

    Bevor ich mit meinen Ausführungen fortfahre, möchte ich für jegliche Kränkung um Verzeihung bitten. Es steht nicht in meiner Absicht, jemanden persönlich anzugreifen. Ich muss einfach aussprechen, was in mir ist, n¨mlich diese Vewirrung, die bleibt, nachdem ich gelesen haben, was über unsere Kunst geschrieben wurde. In den schriften konnte ich nur Polemiken und ziemlich zweifelhafte Theorien finden. Dieser Eindruck ist nicht nur bei mir entstanden, sondern findet sich auch bei Leuten wieder, die mehr in der Materie stecken als ich, zum Beispiel die Herausgeber der Zeitschrift Sevilla Flamenca (Nr. S. 4):

 

    “Der Flamenco ist die eigenste, reichste und charakteristischste Erscheinung der andalusischen Kultur. Aufgrund einer Reihe von sozialen, politischen und kulturellen Umständen, die negativ auf seine Verwurzelung gewirkt haben, ist er auch eine der am wenigsten bekannten (weil am wenigsten untersuchten) Aspekte für all diejenigen, die sich mit dem gemeinsamen kulturellen Erbe unseres Bodens beschäftigen. Es gibt viele und unterschiedliche Gründe für diese allgemeine Ignoranz: Die Oberflächlichkeit, mit der so oft der Flamenco von allen behandelt wurde, die über Flamenco mehr aus Liebe als aus Qualifikation schreiben oder sprechen. Es liegt auch in der Natur der Flamenco-welt selbt, die viel auf die mündliche Überlieferung setzt, als handle es sich um eine Bibel, während es sich tatsächlich nur um eine Quelle der Verwirrung oder ein Ausverkauf von Falschheiten handelt. Die vorfertigten Meinungen nehmen den Status von Dogmen ein, die nur dem eigenen Empfinden von ästhetik oder Parteiinteressen standhalten müssen.”

 

    Das Zitat ist zwar etwas länger, aber wenn Wort für Wort vorgegangen wird, bin ich sicher, dass Erkenntnisse daraus gezogen werden können, die zuvor nicht gesagt oder geschrieben worden sind. Es ist also bekannt, dass man besser die Finger von der mündlichen Tradition lässt, da sie nur Verwirrung stiftet, und doch wird darüber geschrieben, was andere äussern. Daher komme ich nicht umhin, zu fragen: Kann man den bisher Geschriebenen überhaupt Beachtung schenken? Ich möchte ein Beispiel dafür geben, was die mündliche Tradition in Flamencobüchern bedeutet. Es handelt sich um ein Interview mit Miguel Ramírez Sarabia, bekannt als Chano Lobato, aus dem Viertel Santa María in Càdiz, in der Zeitschrift Sevilla Flamenca (Nr. 41, S.29). Er ist am 7. Dezember 1927 geboren, was für das Beispiel von grösster Bedeutung ist.

 

“Frage: Chano, von wem sind diese Coplas mit Karnevalstexten, die du por Tanguillo singst?

Chano: Das sind Coplas eines Karnevalchors, die Tio de la Tiza geschrieben hat.

Frage: Wer war Tio de la Tiza?

Chano: Er war sehr bekannt in Cái, ein sehr witziger Karnevalsdichter. Ich habe ihn auch kennengelernt.”

 

    Und damit äusserte Chano die grösste Ungeheuerlichkeit seines Lebens, denn Tio de la Tiza, mit bürgerlichem Namen Antonio Rodríguez Martínez, starb, wenn man seinem Totenschein Glauben schenken darf, am 19. August 1912 an Herzversagen im Café Sevillano an der Plaza Duque de Sevilla. Mein lieber Landsmann ist zwölf Jahre und fünf Monate, nachdem El Tio de la Tiza unsere Welt verlassen hatte, geboren.

    Was den Ursprung des Flamenco und damit das Hauptanliegen unserer Arbeit angeht, gibt es ein breites Spektrum am Theorien in allen formen und Farben, von denen einige in unwahrscheinliche Phantasievorstellungen abdriften. Andere sind etwas bescheidener und geben mal mehr, mal weniger auf die Sicherheit des Gescgriebenen. Ich komme um ein Zitat aus dem Artikel “Dos orígenes del flamenco” von Antonio Espinos Guerrero in der Revista de Flamencología der Universität Càdiz (Nr. 5, S. 4) nicht umhin. Da heiss es:

 

    “Es gibt heute so viele Theorien, die sich in die Ursprünge des Cante Flamenco einmischen, und die meisten davon sind nicht als Vermutungen, d.h. Urteile, die auf der Grundlage von Mutmassungen geäussert werden, ohne dass irgendein Beweis zu ihrer Stichhaltigkeit geliefert würde…”

 

    Es konnten weitere Zitate folgen, doch lassen wir es dabei bewenden. Mich wundert, dass immer wieder das Gleiche geschrieben und nicht Neues herausgefunden wird. Sind die Flamencologen blind oder wird voneinander ab geschriben? Wie ich schon sagte, verursacht diese Vorgehensweise der Flamencologen nur Kopfschmerzen. Die Polemiken führen zu nichts, weil wir immer da ankommen, wo wir aufgebrochen sind. Unter den Fragen, die am meisten Polemiken in Gang gebracht haben, gibt es eine, über die im Laufe der Flamencogeschichte besonders viel und besonders Unsinniges wurde: Dabei geht es um die Kreation und den Beitrag der Gitanos zu unserer Kunst. Ich sage ‘unsere Kunst’, weil ich der Meinungbin, dass das Werden dieser Kunst in Andalusien stattgefunden hat.

    Diesbezüglich gibt es in der Flamencogeschichte noch ein ziemlich grosses Feld, das erforscht werden muss. Ein interessen und parteilose Untersuchung, in die auch nicht die Freundschaft des Autoren zu der einen oder anderen Person hineinspielen darf, ware notwendig.

    Ich gehe sehr konform damit, was bisher über die Mischung und Kreuzung mit anderen Kulturen und Musiken gesagt wurde. Ich bin zwar kein Musiker, aber dennoch vernünftig genug, umzu verstehen, dass alle Rassen, die unseren Boden bewohnten, etwas von dem, was sie bei sich trugen, in Andalusien lassen mussten, also ihre Musik, ihre Tänze oder sogar ihre Instrumente. Diese vermischten sich dann mit dem, was wir hatten: die uralte Cántiga Gaditana, Jarcha oder Romance, aus denen die Moaxaca und das Zéjel entstanden, Kreuzungen mit den alten Synagogengesängen byzantinischer und gregorianischer Musik usw. Von all dem existieren Dokumente, die diese Kreuzungen und Mischungen belegen. Aber was gibt es über die Gitanos, von dem, was sie aus Indien mit brachten?

     Seltsames fliesst Antonio Espinos in dem oben genannten Artikel (S. 23) aus der Feder: Es gäbe auch Gitanos, die den Flamenco nicht kennen. Er führt ein Beispiel an von Zigeunern, die in den Ausläufern der Pyrenäen in Navarra leben, im Valla de Baztán. Es handelt sich um Zigeuner, die dort so stark im Land integriert sind, dass sie nach und nach ihre Musik, ihre Lieder und selbst ihre Muttersprache verlernten. Sie sprechen die Landessprache Baskisch und singen keinen Flamenco, sondern interpretieren die Folklore der Gegenden, in denen sie leben. Auf  S. 24 schreibt er: „Damit etwas verloren gehen kann, muss es  existiert haben“, d.h., dass die Zigeuner etwas verloren haben müssen. Wie bereits erwähnt, ist es sonderbar, dass die Gitanos ihre Gesänge und Musik, ja selbst die Sprache vergessen haben sollen, wo doch die Volksstämme der Zigeuner vom Scheitel bis zur Sohle stock konservativ sind, und, wie mein Landsmann Fernardo Quiñones in „El Flamenco, vida y muerte“ ,S. 100 schreibt:

 

„...es sind in sich abgeschlossene und undurchdringliche Kreise...“.

 

    Ich möchte noch hinzufügen, dass ich Asturien, La Rioja, Kantabrien, einen Teil der zwei Kastilien bereist habe. Ich sah in meinem ganzen Leben keinen Zigeuner, der Jota oder die asturische Danza Prima tanzt, geschweige denn baskisch singt oder Gaita spielt. So müssen wir die Aussage des Gelehrten verwerfen.

    Bis heute sind alle Abhandlungen über den Einfluss der Zigeunerrasse auf den Ursprung des Flamenco lückenhaft und kranken an fundierten Beweisen. Trozt der Dunkelheit, die solche Abhandlungen umgibt, erscheinen weiterhin neue Publikationen und Arbeiten über das Thema, ohne wesentliche Fortschritte über den Einfluss der Zigeuner zu liefern.

    Es gibt Meinungen zur Rolle der Gitanos in der Entstehungsgeschichte des Flamenco, die der in der Literaturvertreten Auffassung entgegenstehen. Im folgenden werde ich zwei bedeutende Beispiele in dieser Hinsicht betrachten. Eines kommt von Ricardo Molina und Antonio Mairena, aus ihrer ‚Bibel’, wie ihr Buch „Mundo y formas del Cante Flamenco“ gelegentlich genannt wird. Sie äussern auf Seite 31, „dass sie (die Zigeuner) am Anfang gut aufgenommen, sogar dem Schutz Adliger unterstellt wurden, die in denen Gesäng enund Tänzen Entspannung fanden.“ Molina und Mairena beziehen sich dabei auf Zigeuner, die um 1425 in Spanien angekommen waren und ihre Gesänge und Tänze mitgebracht hatten. An dieser Stelle muss ich fragen:

 

Welche Tänze und Gesänge sollen das gewesen sein? Wie hiessen sie?

    Das zweite Beispiel stammt aus dem Heft „Antología del Cante Flamenco“ von Tomás Andrade de Silva (Madrid, 1959):

 

    „Die Zigeuner waren bei ihrer Ankunft in Spanien keine Träger irgendeiner musikalischen Tradition.“ 

 

    Die Frage stellt sich, wem Glauben zu schenken ist, wenn so krasse Meinungunterschiede bestehen. Ricardo Molina und Antonio Mairena machen aus den Gitanos nicht nur die Träger des Flamenco sondern auch die Schöpfer unserer Kunst. Das folgende Zitat ist „Mundo y formas del Cante Flamenco“ entnommen:

 

    „...wir glauben, dass die Gitanos die Schöpfer der Siguiriya, der Tonás und der Corridas waren, so wie diese heutzutage überliefert sind. Die Versionen dieser Cantes aus der Zeit vor der Ankunft der Zigeuner, wenn es sie denn gab, entbehren jeglicher Beweise. Es gibt keine einzige Quelle, keinen Hinweis, kein Indiz, die standhaft die These ihrer Existenz vertreten könnten.“

 

    Woher nehmen Molina und Mairenam dass die Gitanos die Schöpfer waren? Warum verwendeten die Gitanos spanische Namen für ihre Gesänge? Seltsamerweise schreibt Fernando Quiñones in „El Flamenco“ in Bezug auf diese Fragen (S. 112, Anmk. 25):

  

 „ Die Identifikation von Wörtern aus den Zigeunersprachen wie ‚caló’, ‚gachó’, ‚parné’ und anderen war bereits erfolgt. In einer späteren Reise scheint der Schriftsteller Aquilino Duque auch ‚duca’, ‚debla’, ‚siguiriya’...identifiziert zu haben.“

 

     Danach scheint das Wort ‚siguiriya’ seinen Ursprung bei den Zigeunern haben zu können. Ich war immer davon ausgegangen, dass ’siguiriya’ eine lautliche Veränderung des kastilischen Wortes ‚ seguidilla’ sei, aber anscheinend ist das ein Irrtum. Damit hören die Merkwürdigkeiten aber nicht auf, denn es gibt einen weiteren Cante, dessen Bezeichnung aus dem Calé kommen soll, laut Barrios „ein Zigeunergesang, dessen Name nicht nur zum Kastilischen gehört, sondern sogar zum gebildeten Sprachschatz.“ Dieser Gesang ist die Alboreá. Dabei handelt es sich wieder um eine Lautverschiebung, und zwar des Wortes ‚alborada’, aber nachdem ich so viel Sonderbares gelesen habe, weiss ich nicht mehr, was ich glauben soll. In „La copla“ schreibt E.Soria:

 

    „Die Alboreá ist ursprünglich kein Gesang der Zigeuner, denn bereits in der Epoche der Troubadoure war sie in ganz Spanien ein Morgengesang mit Madrigalcharakter oder um den Liebenden den neuen Tag anzukündigen. Diese Alboradas erwähnt Gonzalo de Berceo im 13. Jahrhundert.“

 

    Wie Miguel Ropero in seinem Buch „El léxico andaluz de las coplas flamencas“ nachweist, scheint es zwischen der Alboreá im Flamenco und den morgendlichen Gesängen aus der Provence und aus Spanien nicht weiter als terminologische Zufälle und oberflächliche Ähnlichkeiten zu geben. Im 13. Jahrhundert gab es in Spanien noch keine Zigeuner, wohl aber einen Liederschatz. Ich möchte damit andeuten, dass sehr viel Zufall dabei mitspielen muss, dass die meisten Alboreátexte aus dem spanischen Liederschatz kommen.

    Man muss immer die Frage ‚warum’ auf der Zunge haben, um zu verstehen, wie die Zigeuner vor so langer Zeit vorgegangen sind: Warum wurde diese Vokabel benutzt, warum wurden Verse aus dem spanischen Liederschatz für den Höhepunkt der Zigeunerhochzeiten verwendet, warum nahmen sie dafür nicht die Gesänge und Tänze, die sich nach Molina und Mairena bereits mitbrachten und mit denen sie den spanischen Adel erfreuten.

    Molina und Mairena schreiben:

 

    „Die Gitanos schufen den Cante nicht exnihilo, sie schufen ihn nicht aus dem Nichts. Besser als von ‚Kreation’ können wir von ‚Schmieden’ oder ‚Umschmelzen’ des Gesang sprechen. Sie führten den Cante nicht mit sich, weil sonst Spuren davon zurückgeblieben wären.“

 

    Sie haben also nicht mitgeführt. Aber an anderer Stelle im Buch versichern Mairena und Molina, dass der spanische Adel in ihren Gesängen und Tänzen Zerstreuung suchte. Ich frage mich, wer diesem Begriffswirrwarr aus ‚mitführen’ und, nicht mitführen’, aus ‚schmieden’ und ‚umschmelzen’ noch folgen soll.

    Bisher sind wir mit den Theorien über die Ursprünge des Flamenco nicht vorangekommen. Es existieren nur Theorien über Theorien. Im Wörterbuch wird ‚Theorie’ definiert als Gesamtheit aller Überlegungen, die gemacht wurden, um eine bestimmte Anzahl von Phänomenen provisorisch zu erklären. Die Phänomene existieren, sind allerdings nur erdacht, um in den flamenco-theoretischen Abhandlungen zu erscheinen.

    Mir ist in den Texten über Flamencomusik noch etwas sehr aufgefallen, nämlich die Ähnlichkeit mit anderen Musikrichtungen, die ausserhalb der Grenzen Andalusiens liegen. Nehmen wir zum Beispiele ein folkloristisches Thema, nicht aus dem Flamenco, an dem man beobachten kann, dass es in jeglicher Musik, folkloristisch, Flamenco oder Klassik, Gemeinsamkeiten gibt, obwohl die Richtungen nie etwas mit einander zu tun hatten. In „La Canción Asturiana“ von José Benito A. Buylla, einer Studie über Ethnologie der Musik, heisst es auf S. 40:

 

    „Im Norden Spaniens finden wir drei musikalische Familien vor: die Baskische, die kantabrisch-asturische und die galizische, die alle von gemeinsamen keltischen Vorläufern abstammen.Neben den offensichlichen Ähnlichkeiten, die sie vereinen gibt es Unterschiede.

 

    Die keltische Tradition Galiziens scheint mit der aus Wales oder Irland verwandt zu sein, das Baskische hat Gemeinsamkeiten mit dem Schottischen und das Asturische mit dem Skandinavischen.“

       Sogar Eduardo M. Torner schreibt in „Folclore y Costumbres de España“, Bd. 2, S. 21, einem grossen Teil der asturischen Musik einen arabisch-andalusischen Ursprung zu. Diese Ähnlichkeiten innerhalb der spanischen Folklore sind meines Erachtens eine normale Erscheinung, obwohl es eine unendliche Liste von Beispielen gibt, die sich auch aufandere Regionen Spaniens, ja selbst ausserhalb Spaniens verlängern liesse. Dagegen ist unglaubwürdig, dass auf der asiatischen Insel Ceylon Gesänge existieren, die, wie Espinos Guerrero in seiner Untersuchung in Heft Nr.5 der Revista de Flamencología behauptet, die Ursprünge der Martinetes, Tonás und Deblas sein sollen. Dass es gewisse Ähnlichkeiten gibt, lässt sich nachvollziehen, nicht aber, dass die Gesänge so ähnlich sind, wie sie Espinos beschreibt: „es gibt Anlass, ernsthaft über die Eröffnung eines Weges hin zum Ursprung und der Herkunft bestimmter Cantes Flamencos nachzudenken.“ Die Dinge werden so stark vereinfacht, um zu zeigen, dass die ceylonesische Musik etwas mit der andalusischen zu tun hat. Wie gesagt, ich bin weder Musiker, noch kompetent, eine technisch korrekte Erklärung zu liefern. Ich glaube jedoch nicht, dass alle, die den besagten Artikel gelesen haben, mit der Theorie einverstanden sind, denn der einzige Beweis, den es gibt, ist eine Aufnahme auf einer Musikkassette.

    Alle Autoren, die ich bisher gelesen habe, sagen zum Thema der Herkunft des Flamenco das Gleiche. J. M. Caballero Bonald beginnt sein Werk „Luces y sombras del Flamenco“ mit den Worten:

 

    „Wenn man versucht, den Werdegang des Flamenco zurückzuverfolgen, erscheinen immer wieder zwei unüberbrückbare Hindernisse: Seine ungewisse Herkunft und die unpräzise Eingrenzung seiner Entwicklung.“

 

    Andere Autoren äussern sich zu dem Thema ebenso wie Caballero Bonald. Mir scheint es fast unmöglich, dass man den Weg, der zu der Herkunft und den Ursprüngen der Martinetes und der Tonás f¨hrt, in Ceylon findet. So aber wird es in der „Revista de Flamencología“ behauptet.

    Über die Martinete habe ich die Zeitschrift „Sevilla Flamenca“, Nr. 58, S. 41 zu Rate gezogen, wo ein Text von Hipólito Rossy über diesen Cante und seine mögliche Herkunft in Auszügen abgedruckt ist. In de Sparte „Meinungen“ auf der gleichen Seite befindet sich ein Artikel, der mit F.V. unterzeichnet ist und von dem asturianischen Einfluss in die Tonás handelt:

 

    „Obwohl es hier keine Ähnlichkeit gibt, existiert doch ein Einfluss der asturianischen Folklore auf einige Palos Flamencos. Das ist mehr als bekannt, und es wird sogar angenommen, dass die Farruca und der Garrotín ihre Herkunft in der galizisch-asturischen Folklore haben.“

 

    Auch über die Martinete wird bei Hipólito Rossy gesagt, dass

 

    „sie wahrscheinlich eine Kreation der Zigeuner ist, wegen der Tonart beim Gesang kann man allerdings behaupten, dass sie ein Produkt verschiedener Einflüsse ist, vor allem des andalusischen, lateinischen und teilweise asturischen.

 

    Das ist sogar glaubhaft, denn nimmt man eine CD des asturianischen Sängers „El Presi“ und hört sich nur den Gesang davon an, kann man die Gemeinsamkeiten beider Gesänge feststellen.

    Das behaupte nicht nur ich, sondern auch Hipólito Rossy schreibt:

 

    „... das könnten die Sänger aus Mieres oder Covadonga singen, ohne dabei ein eigenartiges Gefühl zu haben. Sie bräuchten nur kurz zu proben, um sich an die Ausdruckskraft des Cante Flamenco zu gewöhnen.“

 

    Ich möchte hier enden, aber ich möchte auch klarstellen, dass es an der Zeit ist, eine ernste Studie aufzunehmen, damit die Kommentare nicht aber und abermals Kopien kopieren. Ich bin gespannt darauf, ob wir eines Tages das Sprichwort „gibt dem Kaiser, was des Kaiser ist, ...“ anführen dürfen, das ich umdichten möchte als:

 

    „Gib den Zigeunern, was den Zigeunern gehört, und gib den Andalusiern, was den Andalusiern gehört“,

     im Sinne von Fernando Quiñones, der auf S. 7 des o. g. Werkes schreibt:

 

    „Der Flamenco ist der Spiegel und das Zeugnis langer Jahrhunderte spanischen Lebens“.

 

    Als allerletztes möchte ich zwei Zitate der Zeitschrift „Candil“ anführen. In Nr. 83 schreibt Manuel Barrios auf S. 1143:

 

     „Die Zigeuner erfinden nicht, sie lassen sich bloss nieder und übernehmen, bestenfalls arbeiten sie das andalusische Erbe auf.“

 

    Auf der gleichen Seite wird die Meinung der Musiker genannt:

 

    „Die wichtigsten Musiker und Musikwissenschaftler schliessen die Möglichkeit der Herkunft des cante von den Zigeunern aus. Damit sind Pedrell, Turina, García Matos und José Romero gemeint.“

 

    In der Fussnote Nr. 13 auf folgenden Seite steht:

 

    „In Spanien haben die Zigeuner wie in Russland und Ungarn keine eigene Musik und keine besonderen Tänze, sondern die übernehmen die nationalen Eigenheiten und arragieren sich damit.“

 

     Beim Lesen mag der Eindruck entstehen, dass ich eine zigeunerfeindliche Haltung habe, und das stimmt so nicht. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich sehr geniesse, Flamenco und Cante Gitano zu hören. In diesem Sinne unterschreibe ich die Worte des Sänger Calixto Sánchez, der 1990 in einem Interview in der Zeitschrift „Sevilla Flamenca“ sagte:

 

    „Die Zigeuner singen Flamenco, weil sie Andalusier sind, nicht, weil sie Zigeuner sind.“

 

 

                                                                      Francisco Prat Bernardi (Paco de Cái).